Trotz der Tatsache, dass heute zwei Drittel der Medizinstudenten Frauen sind, bleibt die Frage bestehen: Warum finden wir so wenige Frauen in Führungspositionen wie die der Chefärztin? Dieser Widerspruch ist in der Medizin besonders augenfällig, denn auch wenn Frauen in Fächern wie Allgemeinmedizin, Gynäkologie oder Innerer Medizin stark vertreten sind, sind sie auf den höchsten Ebenen der Kliniken immer noch unterrepräsentiert. Doch woran liegt das?
Karriere und Work-Life-Balance: Ein Balanceakt
Ein wichtiger Faktor ist die Karriereplanung. Viele Ärztinnen legen einen hohen Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Während der Facharztausbildung stehen sie oft vor der Herausforderung, ihre beruflichen Ambitionen mit familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Besonders die Entscheidung für Teilzeitarbeit nach der Facharztausbildung wird häufig getroffen, um mehr Zeit für die Familie zu haben – eine Entscheidung, die jedoch auch die Karriereentwicklung hemmen kann.
Das Lebensphasenmodell von Erik Erikson gibt uns dabei interessante Einblicke. Ärztinnen durchlaufen in ihrer beruflichen Laufbahn verschiedene Phasen, in denen sie sowohl berufliche als auch private Herausforderungen bewältigen müssen. Die Assistenzzeit ist oft geprägt von intensiven Arbeitszeiten und dem Aufbau einer stabilen Partnerschaft, während mit der Geburt der Kinder häufig eine berufliche Drosselung einhergeht. Diese Unterbrechung kann dazu führen, dass viele Ärztinnen das Gefühl haben, den Anschluss an ihre Karriereziele zu verlieren.
Fachbereichswahl: Ambulanter Bereich statt Klinikleitung
Frauen entscheiden sich häufig für Fachgebiete, die eine attraktive ambulante Tätigkeit bieten. Hier kann eine Tätigkeit in einer Praxis oder im ambulanten Bereich eine flexiblere Lösung bieten, was wiederum die Chancen auf Führungspositionen im stationären Bereich reduziert. Diese persönliche Entscheidung wird jedoch oft aus der Notwendigkeit heraus getroffen, ein Arbeitsumfeld zu wählen, das den Anforderungen des Familienlebens besser entspricht.
Die Bedeutung von Netzwerken und Mentoring
Trotz dieser Herausforderungen sollten ambitionierte Ärztinnen sich nicht davon abhalten lassen, nach Führungsrollen zu streben. Ein entscheidender Punkt ist der Aufbau starker beruflicher Netzwerke und die Unterstützung durch erfahrene Mentoren. Mentoring-Programme und Networking-Events können helfen, Hindernisse zu überwinden und Ärztinnen auf ihrem Weg zur Führungskraft zu unterstützen.
Was muss sich ändern?
Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, müssen jedoch auch strukturelle Veränderungen im Gesundheitswesen stattfinden. Krankenhäuser und Kliniken sollten flexiblere Arbeitszeitmodelle, bessere Kinderbetreuungsangebote und Unterstützung für Teilzeitarbeit schaffen, ohne dass dies Karrierenachteile mit sich bringt. Zudem müssen weibliche Talente gezielt gefördert werden – durch Leadership-Trainings, Mentoring-Programme und eine bewusste Förderung in Führungspositionen.
Fazit: Der Weg ist steinig, aber machbar
Frauen haben in der Medizin bereits viel erreicht, doch der Weg in die Chefetagen ist oft von Hürden geprägt. Diese Herausforderungen, die durch das Spannungsfeld zwischen Karriere, Familie und gesellschaftlichen Erwartungen entstehen, sollten aber keine Ärztin davon abhalten, ihre Ambitionen zu verfolgen. Mit der richtigen Unterstützung und einem klaren Ziel vor Augen können Ärztinnen ihren Weg in die Führungspositionen finden und das Gesundheitswesen aktiv mitgestalten.