„Trotz unzähliger Demonstrationen, Protesten und drei Petitionen mit jeweils über 100.000 Unterschriften bleiben viele Probleme im Praktischen Jahr (PJ) ungelöst. Die angestrebte bundesweite Reform der Ausbildung durch die Änderung der Approbationsordnung, und damit auch die Möglichkeit für Reformen im PJ, befindet sich aktuell im Stillstand. Diese Verzögerung droht, die bestehenden Probleme im Gesundheitswesen durch eine Ausbildungskrise noch weiter zu verschärfen.“ Quelle: bvmd
Die Bedingungen im Praktischen Jahr bedürfen in einigen wesentlichen Aspekten dringend einer Verbesserung. Studierende erhalten oft nicht die notwendige Anleitung und Lehre, und es fehlt ihnen zudem die Möglichkeit, sich im Krankheitsfall offiziell abzumelden. Darüber hinaus wird ihre Vollzeitarbeit im PJ entweder gar nicht oder so gering vergütet, dass sie ihre Miete kaum decken können. Diese enorme Belastung gefährdet nicht nur die Gesundheit der Studierenden, sondern kann auch negative Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben. Schätzungen zufolge leiden bereits Studenten im letzten Studienjahr an Erkrankungen wie Burnout oder ähnlichem.
Eine solide Vorbereitung auf das Berufsleben darf nicht der Engpass sein, der die Absolventen früh schon an ihrer Berufswahl zweifeln lässt. Selbst die engagiertesten Studierenden benötigen neben ihrem Einsatz angemessene Rahmenbedingungen, um die Ärzt*innen zu werden, die mit Hingabe und Leidenschaft ihren Beruf ausüben!
Eines der größten Probleme ist die ungleiche und niedrige Vergütung. In vielen Kliniken erhalten PJ-Studierende entweder gar keine oder nur eine sehr geringe Bezahlung. Dies zwingt viele dazu, trotz der intensiven Arbeitsbelastung zusätzlich arbeiten zu müssen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der Verantwortung, die die Studierenden tragen, und der finanziellen Anerkennung, die sie erhalten.
Ein weiteres Problem ist die mangelnde didaktische Betreuung. PJ-Studierende werden häufig nicht ausreichend in das Klinik Geschehen eingebunden und nutzen die Zeit oft nur begrenzt zur Ausbildung. Stattdessen übernehmen sie häufig administrative Aufgaben wie Blutabnahmen oder das Legen von Infusionen, ohne tiefere medizinische Einblicke zu bekommen. Viele verpassen dadurch die Chance, wichtige praktische Fähigkeiten unter Anleitung zu erlernen.
Eine zusätzliche Herausforderung ist die Wahl des richtigen Ausbildungsortes. Oft sind die besten Lehrkrankenhäuser nicht in Wohnortnähe, und Studierende können sich Übernachtungen in peripheren Häusern, die qualitativ hochwertige Ausbildung bieten, nicht leisten. Ein peripher gelegenes Krankenhaus mag großartige Ausbildungsbedingungen und engagierte Ausbilder bieten, doch ohne bezahlbare oder gestellte Unterkünfte ist diese Option für viele Studierende schlichtweg nicht machbar. Stattdessen sind sie gezwungen, sich für Kliniken zu entscheiden, die zwar leichter zu erreichen sind, aber nicht die gleichen Lernmöglichkeiten bieten. Dies führt dazu, dass viele Studierende weniger optimale Ausbildungsstätten wählen, oft nur, weil sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Diese Kliniken bieten häufig schlechtere PJ-Konzepte, da sie überfüllt sind oder die Lernmöglichkeiten stark eingeschränkt sind.
Solange sich die Bedingungen im PJ nicht ändern, wird es vielen Studierenden nicht möglich sein, dort zu lernen, wo sie die besten Ausbildungsbedingungen vorfinden. Diese strukturellen Probleme behindern nicht nur die individuelle Karriereentwicklung, sondern gefährden auch langfristig die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland.
Die Aktionen und Forderungen von Studierendenorganisationen und Berufsverbänden zielen darauf ab, diese Missstände zu beheben. Eine der zentralen Forderungen ist eine bundesweit einheitliche, angemessene Vergütung für alle PJ-Studierenden. Zudem müssen Kliniken Unterkünfte für PJ-Studierende bereitstellen, um den Zugang zu peripheren Lehrkrankenhäusern zu erleichtern. Zusätzlich wird eine bessere didaktische Betreuung durch betreuende Ärzt*innen gefordert, um den eigentlichen Bildungsauftrag des PJ zu erfüllen. Die Studierenden sollen als Lernende wahrgenommen und nicht als günstige Arbeitskräfte ausgenutzt werden.
Die durchgeführte Aktionswoche im Juni 2024 wird hoffentlich den nötigen Druck erzeugen, um die längst überfälligen Reformen im PJ voranzutreiben. Es liegt an den Entscheidungsträgern, endlich die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und die Ausbildungssituation im PJ grundlegend zu verbessern – im Interesse der Medizinstudierenden und der zukünftigen Patient gleichermaßen.