Die letzten Monate des Medizinstudiums sind eine spannende Zeit: Du hast fast alle Prüfungen hinter dir, stehst im Praktischen Jahr (PJ) schon mitten auf Station – und doch fühlst du dich manchmal wie ein kompletter Anfänger. Kein Wunder, es ist ein aufregendes Wechselspiel zwischen Selbstsicherheit und der Unsicherheit, die mit dem Berufsstart einhergeht.
Vielleicht hast du schon mal von der Parabel des Truthahns gehört. Diese Geschichte stammt aus Nassim Nicholas Talebs Buch "Der Schwarze Schwan", und sie erinnert uns daran, dass das Leben manchmal ganz anders verläuft, als wir es erwarten. Der Truthahn wird jeden Tag gefüttert und gewöhnt sich daran – er ist glücklich und vertraut auf diese Routine. Doch kurz vor Thanksgiving endet das Ganze plötzlich, als er geschlachtet wird.
Was hat das mit deinem PJ zu tun? Nun, ähnlich wie der Truthahn könntest du dich nach mehreren Monaten auf Station sicher fühlen. Du hast deine Routine gefunden, kennst den Klinikalltag und gehst davon aus, dass der Übergang ins Berufsleben genauso reibungslos verlaufen wird. Doch unerwartete Ereignisse – wie schwierige Prüfungen, Herausforderungen im Klinikalltag oder das Gefühl, doch noch nicht alles zu wissen – können immer noch auftreten.
Das klingt jetzt vielleicht erstmal beunruhigend, aber es gibt gute Nachrichten: Du musst nicht alles allein bewältigen. Eine der wichtigsten Ressourcen auf deinem Weg zum Arztberuf sind deine Erfahrungen, dein erlerntes Fachwissen und vor allem deine Mentoren. Gerade in der Anfangszeit auf Station sind erfahrene Ärzt*innen an deiner Seite, die dir in schwierigen Momenten zur Seite stehen und dir helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Das ist nicht nur üblich, sondern sogar in den Weiterbildungs-Vorschriften festgelegt.
Es ist gerade in der Anfangszeit für dich unbedingt wichtig, herauszufinden: Wie weit bist du selbst bereit, den Weg zu gehen? Stellst du noch eine „blöde“ Frage an deinen Mentor, auch auf die Gefahr hin, dass dieser schon gestresst ist und dir das Gefühl gibt, Ballast zu sein? Tu es trotzdem! Im Interesse deiner Patient*innen und vor allem im Interesse deiner Ausbildung. Nach meiner Erfahrung kann sich nur der wirklich weiterentwickeln, der in der Lage ist, im richtigen Moment die richtige Frage zu stellen.
Dein Mentor hat sich schon lange vor deiner Zeit dafür entschieden, angehenden Ärzten ein Lehrer und Vorbild zu sein. Er weiß, dass es keine „blöden“ Fragen gibt. Stattdessen sind Fragen Angebote, die du als junger Berufseinsteigerin einforderst und unbedingt auch erhalten solltest! Also: Setze deine subjektiven Unsicherheiten nicht in den Vordergrund, sondern fordere die Hilfe ein, die du brauchst. Das ist der Unterschied zum Truthahn: Du bist nicht allein in diesem Prozess, sondern hast ein Team und Mentoren an deiner Seite, die dich unterstützen.
Also, Kopf hoch! Du hast schon so viel geschafft, und mit der richtigen Unterstützung wirst du auch die letzten Hürden meistern – und deine Fragen sind ein wichtiger Schritt in dieser Entwicklung.