Das Tertial in der Notaufnahme ist für viele Medizinstudierende eine der spannendsten und lehrreichsten Stationen des Praktischen Jahres. Es ist der Ort, an dem Adrenalin, Verantwortung und Lernen aufeinandertreffen. Doch was genau macht diese Erfahrung so besonders? Was dürfen Studierende in der Notaufnahme machen – und wo liegen die Grenzen? Dieser Artikel beleuchtet alle wichtigen Aspekte und gibt wertvolle Tipps für den Alltag in der ZNA.
Warum das Tertial in der Notaufnahme so besonders ist
Die Notaufnahme ist ein Ort, an dem kein Tag dem anderen gleicht. Sie bietet ein dynamisches Umfeld, in dem du als PJ-Studierender ein breites Spektrum an Krankheitsbildern und Akutsituationen erleben kannst. Von leichten Beschwerden bis hin zu kritischen Notfällen reicht die Bandbreite der Fälle, die dir einzigartige Einblicke in die Akut- und Notfallmedizin ermöglichen. Dabei unterscheidet sich die Arbeit in der Notaufnahme je nach Größe und Spezialisierung des Hauses erheblich.
In großen Kliniken wird häufig zwischen chirurgischer und internistischer Notaufnahme getrennt. Diese Spezialisierung bietet den Vorteil, dass du in beiden Bereichen unterschiedliche Schwerpunkte und Abläufe kennenlernen kannst – von der Versorgung von Unfallverletzungen bis hin zur Behandlung komplexer internistischer Krankheitsbilder wie Herzinfarkt oder akuter Atemnot. Bevor du dein Tertial beginnst, solltest du prüfen, ob eine Rotation zwischen den Bereichen möglich ist. Dadurch erhältst du ein umfassenderes Bild der Notfallmedizin und lernst, wie unterschiedliche Fachdisziplinen arbeiten.
In peripheren Häusern hingegen ist die Notaufnahme häufig zentralisiert, und die Fälle sind stärker durch die regionale Struktur geprägt. Hier werden nicht nur Patienten direkt von Rettungsdiensten eingeliefert, sondern auch häufiger weniger kritische Fälle behandelt, die im niedergelassenen Bereich nicht versorgt werden können. Besonders spannend ist hier oft die Möglichkeit, den Rettungswagen oder das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zu begleiten, da kleinere Häuser den Rettungsdienst häufig direkt betreiben. Allerdings solltest du beachten, dass der Platz im Rettungswagen begrenzt ist und es nicht immer möglich ist, als PJ-Studierender regelmäßig mitzufahren.
Ein breites Spektrum an Fällen
Das Tertial in der Notaufnahme bringt dich mit einer Vielfalt von Fällen in Kontakt, die dir ein tiefes Verständnis für die Akutversorgung vermitteln. Zu den häufigen Szenarien gehören:
Aktives Mitwirken in einem interdisziplinären Team
Einer der größten Vorteile des Tertials in der Notaufnahme ist die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fachdisziplinen. Du wirst regelmäßig Konsile mit Neurologie, Chirurgie, Innere Medizin oder anderen Fachrichtungen erleben. Dabei hast du die Chance, von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu lernen und gleichzeitig wertvolle eigene Beiträge zu leisten. Besonders spannend ist die Arbeit im Schockraum, wo du bei der Versorgung schwerverletzter Patienten direkt mitwirken kannst – sei es durch Anamnese, Diagnostik oder praktische Tätigkeiten wie das Legen von Zugängen.
Das Tertial in der Notaufnahme ist nicht nur fachlich herausfordernd, sondern auch eine unschätzbare Gelegenheit, dich als Teil eines Teams zu fühlen und von der Expertise erfahrener Ärzte zu profitieren. Hier kannst du die Theorie aus dem Studium endlich in die Praxis umsetzen und dich optimal auf deine zukünftige Tätigkeit als Arzt vorbereiten.
Das darfst du als Medizinstudent – und das solltest du lassen
Im Praktischen Jahr ist das Ziel, möglichst viel zu lernen und praktische Erfahrungen zu sammeln. Besonders in der Notaufnahme eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten, ärztliche Tätigkeiten unter Anleitung auszuprobieren. Dazu gehören:
Je nach Ausbildungsstand und Betreuung kannst du unter Anleitung auch anspruchsvollere Maßnahmen durchführen, wie das Legen eines zentralvenösen Katheters (ZVK) oder einer Arterie. Diese Tätigkeiten sind nicht nur spannend, sondern auch essenziell für deine spätere ärztliche Tätigkeit. Doch wie bei allem gilt: Kein Meister fällt vom Himmel. Fehler und Unsicherheiten sind ein natürlicher Teil des Lernprozesses – wichtig ist, dass du dich traust, Fragen zu stellen und Feedback einzuholen.
Der richtige Moment zum Ausprobieren
In der Notaufnahme herrscht ein ganz eigener Rhythmus. Es gibt hektische Zeiten, in denen die Patientenströme kaum abreißen, und ruhigere Phasen, in denen mehr Zeit für individuelles Lernen bleibt. Um das Beste aus deinem Tertial herauszuholen, solltest du stets abwägen, wann der richtige Moment ist, dich auszuprobieren. Während hektischer Stoßzeiten ist der Ton im Team oft rau und direkt – das ist keine persönliche Kritik, sondern Teil der Stressbewältigung und der Effizienz in akuten Situationen. Nutze solche Phasen, um zuzusehen, Fragen zu stellen und dich auf die nächste Gelegenheit vorzubereiten, selbst tätig zu werden.
In ruhigeren Momenten kannst du gezielt praktische Aufgaben übernehmen, um deine Fähigkeiten zu verbessern. Die Kunst besteht darin, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, um weder das Team noch die Patientenversorgung zu beeinträchtigen.
Das solltest du unbedingt lassen
So viele Freiheiten das Praktische Jahr auch bietet, es gibt klare Grenzen. Eigenverantwortliches Handeln ist ohne Approbation nicht erlaubt. Die gesetzlichen Vorgaben der Approbationsordnung für Ärzte (§ 3 Abs. 4 ÄApprO) definieren genau, was erlaubt ist:
Ein bewusster Umgang mit deinen Kompetenzen ist essenziell, um Fehler zu vermeiden und die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Scheue dich nicht, deine Grenzen zu erkennen und rechtzeitig Unterstützung einzuholen – das zeigt Verantwortungsbewusstsein und ist ein wichtiger Teil deiner medizinischen Entwicklung.
Eine gelungene Zeit im Tertial der Notaufnahme beginnt mit der richtigen Herangehensweise. Offene Kommunikation ist dabei essenziell. Bereits am ersten Tag solltest du das Gespräch mit deinem Team suchen, dich vorstellen und direkt mitteilen, welche Erfahrungen du gerne sammeln möchtest. Ob du dich für eine Mitfahrt im Notarztwagen interessierst, Nachtdienste ausprobieren möchtest oder spezifische Fertigkeiten wie Sonografie erlernen willst – je früher du deine Ziele ansprichst, desto eher kann das Team darauf eingehen und dich unterstützen. Eine klare Kommunikation schafft Vertrauen und ebnet dir den Weg, das Beste aus deinem Tertial herauszuholen.
Ein weiterer Vorteil vieler Notaufnahmen ist die flexible Gestaltung des Dienstplans. Diese Flexibilität erlaubt es dir, verschiedene Schichten auszuprobieren, von Früh- über Spät- bis hin zu Nachtdiensten. So kannst du die Notfallmedizin in ihrer gesamten Bandbreite erleben und bekommst einen umfassenden Einblick in den Arbeitsalltag. Auch bei der Planung deiner Studientage wird dir oft Freiraum gelassen, sodass du deinen Zeitplan an deine Lernziele anpassen kannst. Nutze diese Gelegenheiten, um möglichst viel mitzunehmen.
Neben der aktiven Mitarbeit solltest du stets darauf bedacht sein, von den erfahrenen Ärzten und Kollegen zu lernen. Beobachte neurologische Untersuchungen, chirurgische Eingriffe oder das Reponieren von Frakturen und lass dir die einzelnen Schritte genau erklären. Fachspezifisches Wissen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen gehören zu den größten Lernchancen, die dir das Tertial in der Notaufnahme bietet. Sei neugierig, stelle Fragen und erweitere so deinen Horizont.
Während des Tertials ist es wichtig, realistische Erwartungen an dich selbst zu haben. Du bist keine günstige Aushilfskraft, sondern ein Lernender. Erlaube dir, Fragen zu stellen und Fehler zu machen, denn nur so wirst du besser. Zu hohe Ansprüche an dich selbst können dich schnell überfordern und die Freude an der Arbeit schmälern.
Ein häufig unterschätzter Aspekt ist die regelmäßige Rücksprache mit dem betreuenden Arzt. Jede Tätigkeit, die du durchführst, sollte vorab abgesprochen werden. Eigenmächtiges Handeln ist nicht nur ein Verstoß gegen die Vorschriften, sondern birgt auch Haftungsrisiken – sowohl für dich als auch für die Klinik. Klare Kommunikation und ein Bewusstsein für deine eigenen Grenzen sind essenziell.
Zudem ist eine ehrliche Selbsteinschätzung entscheidend. Frage dich vor jeder Aufgabe, ob du dich der Verantwortung gewachsen fühlst und ob sie deinem Ausbildungsstand entspricht. Es ist keine Schande, Aufgaben abzulehnen, die deine Fähigkeiten übersteigen. Ganz im Gegenteil: Ein bewusster Umgang mit deiner Kompetenz zeigt Verantwortungsbewusstsein und schützt sowohl dich als auch die Patienten.
Indem du diese Tipps beherzigst, kannst du nicht nur dein Wissen und deine Fähigkeiten erweitern, sondern auch eine bereichernde und lehrreiche Zeit in der Notaufnahme erleben.
Das bietet dir die Notaufnahme langfristig
Ein Tertial in der Notaufnahme ist weit mehr als eine bloße Vorbereitung auf die Abschlussprüfung – es ist eine Investition in deine berufliche Zukunft. Die hier gesammelten Erfahrungen stärken nicht nur deine medizinischen Fertigkeiten, sondern auch deine persönlichen und interdisziplinären Kompetenzen. Du lernst, in stressigen und oft unvorhersehbaren Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, komplexe Prozesse zu strukturieren und Prioritäten präzise zu setzen. Gleichzeitig wirst du darin geschult, effizient im Team zu kommunizieren – eine Schlüsselqualifikation, die in jedem medizinischen Bereich unverzichtbar ist.
Die Fähigkeiten, die du dir in der Notaufnahme aneignest, sind besonders wertvoll für Weiterbildungen in Bereichen, die ein hohes Maß an Entscheidungsfähigkeit, Teamarbeit und Stressresistenz erfordern. Dazu gehören unter anderem:
Diese Kompetenzen sind jedoch nicht nur auf bestimmte Fachgebiete beschränkt. Die strukturierte Arbeitsweise und die Fähigkeit, unter Druck präzise zu agieren, sind universelle Stärken, die dir in jeder medizinischen Fachrichtung zugutekommen. Egal, ob du dich für die Arbeit in der Klinik, im niedergelassenen Bereich oder in der Forschung entscheidest – die Notaufnahme bereitet dich umfassend auf die Herausforderungen des ärztlichen Alltags vor.
Ein Tertial in der Notaufnahme ist eine einzigartige Chance, die Herausforderungen und Dynamiken der Akut- und Notfallmedizin hautnah zu erleben. Die Arbeit hier ist intensiv, fordernd und nicht selten von Stress und Zeitdruck geprägt. Sie verlangt schnelle Entscheidungen, präzise Kommunikation und die Fähigkeit, in unvorhersehbaren Situationen den Überblick zu behalten. Nicht jeder fühlt sich in solch einem Umfeld wohl, und das ist völlig in Ordnung. Es erfordert eine gewisse mentale Stärke und die Bereitschaft, sich auch mal an die eigenen Grenzen heranzutasten.
Doch gerade weil die Notaufnahme so anspruchsvoll ist, bietet sie im Rahmen des Praktischen Jahres einen idealen geschützten Raum, um sich auszuprobieren. Als PJ-Studierender hast du stets ein erfahrenes Team an deiner Seite, das deine Schritte überwacht und im Notfall eingreift. Dieses "Backup" gibt dir die Sicherheit, auch schwierige Aufgaben anzugehen, ohne Angst vor schwerwiegenden Fehlern haben zu müssen. Gleichzeitig lernst du, wie wichtig Teamarbeit, klare Kommunikation und strukturierte Abläufe in der Medizin sind – Kompetenzen, die dich in jedem Fachbereich weiterbringen.
Die Notaufnahme ist ein Ort, an dem du in kürzester Zeit unglaublich viel lernen kannst. Du siehst ein breites Spektrum an Patienten, von Kleinkindern mit Fieberkrämpfen bis hin zu schwerverletzten Unfallopfern, und lernst, Prioritäten zu setzen und mit Unsicherheiten umzugehen. Selbst wenn du später nicht in der Notfallmedizin oder Intensivmedizin arbeiten möchtest, sind die Erfahrungen, die du hier sammelst, eine wertvolle Grundlage für jede ärztliche Laufbahn.
Ob die Notaufnahme langfristig etwas für dich ist, wirst du während deines Tertials schnell herausfinden. Aber eines ist sicher: Das Tertial in der Notaufnahme ist eine Erfahrung, die dich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich wachsen lässt. Es ist eine Herausforderung, die sich lohnt – und ein unverzichtbarer Baustein auf deinem Weg, ein kompetenter und selbstbewusster Arzt zu werden.